Völkermord an den Armeniern | Streit um ein Wort

Erster Weltkrieg | Modul 9 | Verstehen und Urteilen | Streit um Geschichte | ◻◻◻ schwer | ca. 40 min

Tsitsernakaberd | Denkmal an den Armenier-Genozid, Foto 2015 | Vergrößerte Bildansicht und Bildnachweis (Soghomon Matevosyan, Tsitsernakaberd 102, CC BY-SA 4.0, Wikimedia): Bild anklicken

Tipp: Hinweise zum Modul für Lehrer/innen finden sich im Blog  Historisch Denken | Geschichte machen

Das 20. Jahrhundert war geprägt durch zahlreiche gewaltsame Ereignisse. Nicht nur die beiden Weltkriege forderten viele Millionen Tote. Übersteigerter Nationalismus und rassistische Ideologien führten seit Beginn des Jahrhunderts zur Auslöschung von Menschengruppen nur aufgrund ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft oder ihrer Religion, die auf Anordnung der Regierung eines Staates systematisch ermordet wurden. Das bekannteste Beispiel ist der Holocaust an den europäischen Juden in den Jahren 1941 bis 1945. Andere Beispiele solcher systematischen Massentötungen sind die Deportationen und Massentötung der Armenier im Osmanischen Reich 1915/16, die „Killing Fields“ der Roten Khmer in Kambodscha 1975 bis 1979 oder die Ermordung Tutsi in Ruanda 1994.

Darüber, ob solche Ereignisse auch als Völkermord (oder Genozid) bezeichnet werden, gibt es häufig Streit. Während der Holocaust (von wenigen Holocaust-Leugnern abgesehen) oder die Ermordung der Tutsi in Ruanda als Völkermorde bezeichnet werden und anerkannt sind, gibt es bis heute intensive Debatten darüber, ob die Deportationen und Massentötung der Armenier (und auch der Assyrer und Aramäer) während des Ersten Weltkriegs Völkermord genannt werden soll oder nicht. Eine Massentötung als Völkermord zu bezeichnen, ist nicht nur eine moralische Frage oder eine historische Interpretation. Unter dem Eindruck des Holocausts verabschiedete die UNO 1948 die Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide. Die UNO, das Europäische Parlament und viele Staaten haben die die Ereignisse von 1915/16 auf Grundlage der UN-Konvention rückwirkend als Völkermord anerkannt. Erfolgt eine solche Anerkennung, ergeben sich für die Täter bzw. Täterstaaten immer auch rechtliche Konsequenzen: Sie können vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden oder müssen Entschädigungen an die Opfer zahlen. Deshalb gibt es Personen, Staatsregierungen oder Institutionen, die es strikt ablehnen, die Ereignisse von 1915/16 als Völkermord zu bezeichnen und anzuerkennen. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat eine offizielle Anerkennung lange abgelehnt. Im Juni 2016 hat der Bundestag in einer Resolution den Begriff „Völkermord“ offiziell verwendet – die Bundesregierung allerdings vermeidet den Begriff bis heute.

Im April 2015 jährte sich der Beginn der Deportationen und der Massentötung der Armenier zum 100. Mal. Anlässlich des Jahrestages gab es zahlreiche Gedenkfeiern. Viele Politiker und andere Persönlichkeiten haben sich zu den Ereignissen geäußert. In den Berichten über die Gedenkfeiern und Reden spielte eine Frage immer eine besondere Rolle: Wird vom Völkermord gesprochen oder nicht? In diesem Modul sollst du herausfinden, warum Ereignisse der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein Streit auslösen können.

 

    Aufgaben

    1 | Informiere dich über die Ereignisse 1915/16 im Osmanischen Reich und kläre folgende Fragen. Informationen findest du in diesem Wikipedia-Artikel. Notiere die Antworten in jeweils zwei bis drei Sätzen.

    a) Wer waren die Armenier? Welche Religionszugehörigkeit und gesellschaftliche Stellung hatten sie? Wo lebten sie?

    b) Wer organisierte die Deportationen und Massentötungen an den Armeniern - und mit welchem Ziel?

    c) Im Ersten Weltkrieg waren das Osmanische Reich und das Deutsche Reich Kriegsverbündete. Welche Rolle spielten die im Osmanischen Reich stationierten deutschen Militärangehörigen bei den Deportationen und Massentötungen?

    d) Über die Zahl der getöteten Armenier gibt es sehr verschiedene Angaben. Welche Angaben findest du? Und wer hat sie jeweils aufgestellt?

     

    2 | Über die zahlreichen Reden und Äußerungen im April 2015 zum 100. Jahrestag des Beginns der Deportationen und Massentötung der Armenier finden sich viele Artikel in der Presse. Unten werden vier Presseartikel vorgestellt, die über verschiedene Reden berichten.

    a) Wähle von den vier Personenzwei aus - je eine, die das Wort ausspricht bzw. vermeidet. Sammle die Argumente, die diese Person äußert. Die Personen verfolgen aufgrund ihres Amtes verschiedene Interessen. Informiere dich genauer über die Person und versuche zu erklären, welche Interessen das sein könnten.

    b) Vergleiche die beiden Reden und Äußerungen, die du untersucht hast. Welcher Position stimmst du zu, welcher nicht? Begründe dein Urteil.

    c) Diskutiert eure Urteile aus Aufgabe b) untereinander. Gibt es mehr Übereinstimmungen oder mehr Meinungsverschiedenheiten? Versucht auch eure Übereinstimmungen oder Meinungsverschiedenheiten zu erklären.

     

    Berichte über Personen, die das Wort Völkermord ablehnen oder vermeiden

    Deutscher Außenminister Frank-Walter Steinmeier | Artikel bei Stern.de, 17.4.2015

    Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdoğan | Artikel bei Welt.de, 25.4.2015

    Berichte über Personen, die das Wort Völkermord aussprechen

    Deutscher Bundespräsident Joachim Gauck | Artikel bei Spiegel Online, 23.4.2015

    Papst Franziskus | Artikel bei Zeit Online, 12.4.2015

    Stichworte zum Modul Streit um ein Wort Völkermord | Geschichte | Geschichtsunterricht | Unterricht | Armenier | Genozid an den Armeniern | Gauck | Erdogan | Franziskus | Steinmeier

    Die Antworten zu den Aufgaben kannst du entweder in deine Geschichtsmappe schreiben – ganz einfach mit Stift und PapierDu kannst die Antworten aber auch in die Textfelder unter den Aufgaben eingeben und anschließend ausdrucken oder als pdf abspeichern. Klicke dafür auf das Drucker-Symbol. Hier erhältst du weitere Informationen