Arbeit in der Fabrik – Teil 2 | ein „Fabrik-Reglement“

Industrielle Revolution und soziale Frage | Modul 3 | Quellen untersuchen: Fabrik-Reglement | Arbeitsbedigungen | ◻◻  mittel | ca. 30 min

Wilhelm Riefstahl: Ravensberger Spinnerei, Ölgemälde von 1860, Bildnachweis: Publc Domain, Bild anklicken

Neben der Stahlindustrie wuchs die Textilindustrie im 19. Jahrhundert zu einem großen Industriezweig heran. Das Spinnen von Fäden und Weben von Tuch waren Arbeitsprozesse, die jetzt nicht mehr von Hand, sondern von Maschinen erledigt wurden. Dennoch wurden viele Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfabriken benötigt, um die Maschinen zu bedienen. In diesem Modul geht es um eine FlachsspinnereiFlachs ist eine Pflanze, aus der Flachsfasern gewonnen werden. In einer Spinnerei werden die Flachsfasern zu Leinenfäden auf Spindeln aufgerollt, um später in einer Weberei zu Leinentuch weiterverarbeitet zu werden.

Bei der Verarbeitung von Flachsfasern wird viel Staub aufgewirbelt. Wie du bereits am Beispiel der Stahlindustrie gesehen hast (Modul Eisenwalzwerk) waren auch in der Textilindustrie die Arbeitsbedingungen aus heutiger Sicht nur schwer vorstellbar – wie der folgende Bericht über eine Flachsspinnerei in Schlesien aus dem Jahr 1899 deutlich macht:

Was aber die 500 Menschen erdulden müssen, die dort roboten [arbeiten], davon hat nur der eine Ahnung, der die verkrüppelten, mißgestalteten, flachsstaubfarbenen Geschöpfe gesehen hat. […] Schon im ersten Saale erscheint alles Grau in Grau. Der Fußboden, die waagrechten Maschinenflächen und die Menschen haben eine Farbe. Alles ist mit einer dicken Staubkruste überdeckt. Wie mögen die Lungen aussehen? Lagert auf ihnen und nistet in ihren feinen Gängen nicht auch der athembenehmende Staub? Gewiß, und todgeweiht sind die Menschen, die hier ihre Kraft zu Markte tragen. Den Fußboden kann man fegen, die Maschinenflächen abstauben, den Körper kann man durch Wasser und Seife vom Staub reinigen, die Haare kann man auskämmen… aber wie kann man die Lunge vom Staub befreien?

Max Winter: Skizzen aus dem mährisch-schlesischen Weberland, Teil 1: Sonntagsbeilage zur Arbeiterzeitung vom 19. 2. 1899

Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren dennoch auf die Fabrikarbeit angewiesen. Und trotz der gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen konnten sich die Unternehmer die Beschäftigten aussuchen – oder entlassen. Die Nachfrage nach Arbeitsplätzen war groß und die Menschen von dem geringen Gehalt, das in den Fabriken gezahlt wurde, abhängig. Die Unternehmer stellten harte Bedingungen an die Fabrikarbeiter, wie das „Fabrik-Reglement“ (also eine Verordnung, an welche Regeln sich die Arbeiter*innen zu halten hatten) der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld aus dem Jahr 1857 beispielhaft deutlich macht.

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Reinhard Vogelsang: Geschichte der Stadt Bielefeld, Bd. 2, Bielefeld 1988

    Aufgaben

    1 | a) Schau dir das Fabrik-Reglement genau an, indem du die einzelnen Artikel der Verordnung anklickst. Was wird dort zu den folgenden Punkten festgelegt?

    Welche Arbeitszeiten galten? Wie wurden die Arbeitszeiten eingehalten (die Arbeiter*innen hatten keine Uhren)?

    Was war laut der Verordnung verboten?

    Aus welchen Gründen konnte man entlassen werden?

    b) Wie beurteilst du die damaligen Arbeitsbedingungen im Vergleich zu heute?

    c) Auffällig für das Jahr 1857 war eine betrieblich vereinbarte Krankenversicherung (in § 1). Welches Interesse könnte der Unternehmer mit der Krankenversicherung verfolgt haben? Bedenke dabei: Die durchschnittliche Lebenserwartung in der Mitte des 19. Jahrhunderts lag nur bei etwa 35 Jahren.


     

    2 | Auch wenn sich die Arbeitsbedingungen bis heute in den meisten Wirtschaftsbereichen deutlich gebessert haben, gibt es immer noch Unternehmen, die ihre Mitarbeiter überwachen und in denen der Arbeitsschutz nicht richtig eingehalten wird.

    a) Lies dir den folgenden Zeitungsartikel durch und beschreibe die Arbeitsbedingungen in dem genannten Unternehmen.

    b) Überlege und recherchiere mit Hilfe einer Suchmaschine: Wo gibt es heute noch problematische Arbeitsbedingungen - entweder in Deutschland oder auf der Welt? Nenne ein Beispiel und beschreibe in zwei bis drei Sätzen, weshalb du die Arbeitsbedingungen für problematisch hältst.

    Stichworte zum Modul Fabrikarbeit | Geschichte | Geschichtsunterricht | Unterricht | Industrialisierung | Textilindustrie | Arbeiter | Alltagsgeschichte

    Die Antworten zu den Aufgaben kannst du entweder in deine Geschichtsmappe schreiben – ganz einfach mit Stift und PapierDu kannst die Antworten aber auch in die Textfelder unter den Aufgaben eingeben und anschließend ausdrucken oder als pdf abspeichern. Klicke dafür auf das Drucker-Symbol. Hier erhältst du weitere Informationen