Versailler Vertrag | Quellen

Die Quellen gehören zum Modul Versailler Vertrag

Quelle 1 | Matthias Erzberger: Vertrauliche Aufzeichnungen | 1. Juni 1919

Erzberger
Matthias Erzberger | Bundesarchiv Bild 146-1989-072-16, CC BY-SA 3.0 DE

Matthias Erzberger (1875-1921) war im Kaiserreich und Weimarer Politiker des Zentrums (Partei konservativer Katholiken), unterzeichnete am 11. November 1918 den Waffenstillstand von Compiègne und war in der frühen Weimarer Republik Reichsminister für besondere Aufgaben. Erzberger wurde am 21. August 1921 von rechtsextremen Attentätern erschossen. Der Textauszug gibt seine vertraulichen, erst später veröffentlichten Aufzeichnungen wieder. | zitiert nach: Herbert Michaelis, Ernst Schraepler, Ernst (Hg.): Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart (Band 3), Berlin 1959, S. 360ff. | Portrait Matthias Erzberger (CC BY SA BArchBot, Wikimedia): Bild anklicken

I. Wenn der Friede unterzeichnet wird. Ungeheuer schwere Lasten ruhen auf dem deutschen Volk.

1. Außenpolitische Folgen: Der Kriegszustand hört auf. Die Blockade wird beseitigt. Die Grenzen öffnen sich, es kommen wieder Lebensmittel und Rohstoffe ins Land, der deutsche Kaufmann kann auf Privatkredit Waren kaufen. Der Export kann wieder beginnen. Die Kriegsgefangenen kommen in die Heimat zurück. Polen wird gezwungen, seine Angriffsabsichten aufzugeben. Die Einheit des Reichs bleibt bestehen.

2. Innenpolitische Folgen: Die Steuerlasten werden außerordentlich drückend sein, aber durch die vermehrte Einfuhr von Lebensmitteln, Waren und Rohstoffen wird eine Beruhigung und ein gewisser Ausgleich geschaffen. Die Arbeit wird in steigendem Umfang wieder aufgenommen werden können. Neben der Befriedigung der Inlandsbedürfnisse kommt der Außenhandel wieder in Gang. Der Bolschewismus verliert an Werbekraft. […]

II. Wenn der Friede nicht unterzeichnet wird.

1. Außenpolitische Folgen: Der Kriegszustand wird wieder aufgenommen, und zwar wahrscheinlich sofort mit dreitägiger Kündigung des Waffenstillstandes. Die Alliierten, und zwar sämtliche, auch die Amerikaner, rücken in breiter Front vor, wie weit ist nicht bekannt, aber mindestens bis zu einer Linie, die durch Kassel parallel des Rheines läuft. Insbesondere wird das Ruhrgebiet besetzt. Außerdem liegen Nachrichten vor, nach denen die Alliierten einen Korridor von Frankfurt bis Prag bilden wollen um Norddeutschland von Süddeutschland zu trennen. Die Blockade wird verschärft. […]

2. Innenpolitische Folgen: Allgemeine Lebensmittel-, Waren- und Rohstoffnot in Deutschland. Von den Grenzen werden die Bevölkerungen von Osten und Westen nach dem Innern Deutschlands zusammenströmen und die Lebensmittelnot ins Ungeheuere steigern. Durch die Besetzung des Ruhrgebiets fällt der Nachschub an Kohlen fort, daher ist allgemeiner Zusammenbruch des Verkehrs und Hungersnot in den großen Städten in einigen Wochen zu erwarten. Überhandnehmen des Bolschewismus, der seine Zeit gekommen sieht. Plünderung, Mord, Todschlag wird an der Tagesordnung sein. […]
Das Deutsche Reich fällt auseinander. Die einzelnen Freistaaten werden dem Anerbieten und Druck der Alliierten, mit ihnen Frieden zu schließen, nicht widerstehen können. Dieser Zustand der Ohnmacht Deutschlands wäre einer mächtigen Strömung innerhalb der ‚Alliierten (Frankreich und England) erwünscht. Die Alliierten würden Deutschland daher auflösen und die einzelnen Teile sich selbst überlassen.

Quelle 2 | David Lloyd George: Denkschrift zu den Verhandlungen über die Friedensbedingungen für das Deutsche Reich | 26.3.1919

George
David Lloyd George
David Lloyd George (1863-1945) war von 1916 bis 1922 britischer Premierminister der Liberal Party. Er war einer der Hauptbeteiligten bei den Verhandlungen in Versailles. Im März 1919 (die Verhandlungen hatten im Januar begonnen) verfasste er eine Denkschrift über den Stand der Verhandlungen. | zitiert nach: Klaus Schwabe (Hg.): Quellen zum Friedensschluss von Versailles, Darmstadt 1997, S. 156-160. | Portrait David Lloyd Geroge (Public Domain, Wikimedia): Bild anklicken

Man mag Deutschland seiner Kolonien berauben, seine Rüstung auf eine bloße Polizeitruppe und seine Flotte auf die Stärke einer Macht fünften Ranges herabdrücken. Dennoch wird Deutschland zuletzt, wenn es das Gefühl hat, dass es im Frieden von 1919 ungerecht behandelt worden ist, Mittel finden, um seine Überwinder [meint: Gegner] zur Rückerstattung zu zwingen. […] Um Vergütung zu erreichen, mögen unsere Bedingungen streng, sie mögen hart und sogar rücksichtslos sein, aber zugleich können sie so gerecht sein, dass das Land, dem wir sie auferlegen, in seinem Innern fühlt, es habe kein Recht sich zu beklagen. Aber Ungerechtigkeit und Anmaßung in der Stunde des Triumphs zur Schau getragen, werden niemals vergessen noch vergeben werden. Aus diesen Gründen bin ich darum entschieden dem entgegen, dass mehr Deutsche aus deutscher Herrschaft unter die Herrschaft einer anderen Nation übertragen werden, als durchaus notwendig ist. Ich kann mir keinen stärkeren Grund für einen künftigen Krieg denken […]. Von jedem Gesichtspunkt aus scheint es mir deshalb, dass wir versuchen müssten, eine Ordnung des Friedens abzufassen, als ob wir unparteiische Schiedsrichter wären, ohne Erinnerung an die Leidenschaften des Krieges.

 

Quelle 3 | Louis Oppenheim: Was wir verlieren sollen! | Plakat von 1919 | Bildnachweis (Public Domain, Wikipedia): Bild anklicken

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