Die drei Textquellen gehören zum Modul Imperialismus – Kolonialismus – Rassismus
Textquelle 1 | Bernhard von Bülow: Rede vor dem Reichstag | 6. Dezember 1897 | Quelle zum Begriff Imperialismus
Bernhard von Bülow (1849-1929) war von 1897 bis 1900 Staatssekretär im Außenministerium und von 1900 bis 1909 deutscher Reichskanzler. In seiner bekannten Rede vor dem Reichstag am 6. Dezember 1897 forderte Bülow „unseren Platz an der Sonne“ und meinte damit einen größeren Einfluss des Deutschen Reichs in China, wo die Sonne früher aufgeht als in Europa. Der Ausdruck „Platz an der Sonne“ nach der Rede Bülows zu einem geflügelten Wort der deutschen Außenpolitik. | Reichstagsprotokoll zitiert nach Wikisource | Portrait Bülow: CC BY SA BArchBot (Wikimedia)
[…] In Ostasien schien der Herr Abgeordnete Dr. Schoenlank [Reichstagsabgeordneter der SPD] zu fürchten, dass wir uns in Abenteuer stürzen wollten. Fürchten Sie gar nichts, meine Herren! Der Herr Reichskanzler ist nicht der Mann, und seine Mitarbeiter sind nicht die Leute, irgend unnütze Händel [meint: Streit] zu suchen. Wir empfinden auch durchaus nicht das Bedürfnis, unsere Finger in jeden Topf zu stecken. Aber allerdings sind wir der Ansicht, dass es sich nicht empfiehlt, Deutschland in zukunftsreichen Ländern von vornherein auszuschließen vom Mitbewerb anderer Völker. (Bravo!)
Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte, wo die reine Doktrin [meint hier: die Vorstellung von etwas, ohne danach zu handeln] thront (Heiterkeit – Bravo!) – diese Zeiten sind vorüber. Wir betrachten es als eine unserer vornehmsten Aufgaben, gerade in Ostasien die Interessen unserer Schifffahrt, unseres Handels und unserer Industrie zu fördern und zu pflegen. […] Ich kann aber doch folgendes sagen: wir sind gegenüber China erfüllt von wohlwollenden und freundlichen Absichten (Heiterkeit links!)
Wir wollen China weder brüskieren noch provozieren. […] Wir müssen verlangen, dass der deutsche Missionar und der deutsche Unternehmer, die deutschen Waren, die deutsche Flagge und das deutsche Schiff in China geradeso geachtet werden wie diejenigen anderer Mächte. (Lebhaftes Bravo.) Wir sind endlich gern bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren Voraussicht, dass unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden. (Bravo!)
Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne. (Bravo!)
Textquelle 2 | Carl Peters: Gründungsmanifest der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation | 28. März 1884 | Quelle zum Begriff Kolonialismus
Carl Peters (1856-1918) war einer der bekanntesten Verfechter der Kolonialpolitik im Deutschen Reich. Er war maßgeblich am Aufbau der Kolonie Deutsch-Ostafrika beteiligt. Im Vorfeld gründete Peters im März 1884 die Gesellschaft für Deutsche Kolonisation. Der Textauszug entstammt dem Gründungsmanifest. | Quelle zitiert nach: Wolfgang J. Mommsen, Imperialismus. Seine geistigen, politischen und wirtschaftlichen Grundlagen. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Hamburg 1977, S. 124f. | Portrait Peters: Public Domain (Wikimedia)
Die deutsche Nation ist bei der Verteilung der Erde, wie sie vom Ausgang des 15. Jahrhunderts bis auf unsere Tage hin stattgefunden hat, leer ausgegangen. Alle übrigen Kulturvölker Europas besitzen auch außerhalb unseres Erdteils Stätten, wo ihre Sprache und Art feste Wurzel fassen und sich entfalten kann. Der deutsche Auswanderer, sobald er die Grenzen des Reiches hinter sich gelassen hat, ist ein Fremdling auf ausländischem Grund und Boden. Das Deutsche Reich, groß und stark durch die mit Blut errungene Einheit, steht da als die führende Macht auf dem Kontinent von Europa: seine Söhne in der Fremde müssen sich überall Nationen einfügen, welche der unsrigen entweder gleichgültig oder geradezu feindlich gegenüberstehen. Der große Strom deutscher Auswanderung taucht seit Jahrhunderten in fremde Rassen ein, um in ihnen zu verschwinden. Das Deutschtum außerhalb Europas verfällt fortdauernd nationalem Untergang.
In dieser, für den Nationalstolz so schmerzlichen Tatsache liegt ein ungeheurer wirtschaftlicher Nachteil für unser Volk! Alljährlich geht die Kraft von etwa 200 000 Deutschen unserem Vaterland verloren! Diese Kraftmasse strömt meistens unmittelbar in das Lager unserer wirtschaftlichen Konkurrenten ab und vermehrt die Stärke unserer Gegner. Der deutsche Import von Produkten tropischer Zonen geht von ausländischen Niederlassungen aus, wodurch jährlich viele Millionen deutschen Kapitals an fremde Nationen verlorengehen! Der deutsche Export ist abhängig von der Willkür fremdländischer Zollpolitik. Ein unter allen Umständen sicherer Absatzmarkt fehlt unserer Industrie, weil eigene Kolonien unserem Volke fehlen. […]
Textquelle 3 | Paul Rohrbach: Das deutsche Kolonialwesen | 1911 | Quelle zum Begriff Rassismus
Paul Rohrbach (1869-1956) arbeitete von 1903 bis 1906 als Kolonialbeamter In Deutsch-Südwestafrika. Rohrbach veröffentlichte zahlreiche Bücher und Zeitschriften zu theologischen und politischen Fragen, unter anderem sein damals bekanntes Buch Das deutsche Kolonialwesen aus dem Jahr 1911, aus denen folgende Auszüge entnommen sind. Beachte bei der Untersuchung der Quelle, dass Begriffe wie „Neger“ oder „Rasse“ als abschätzig und beleidigend gelten und heute nicht mehr verwendet werden. Du solltest sie deshalb nicht einfach übernehmen, sondern entweder zitieren (mit Anführungsstrichen) oder umschreiben. | Paul Rohrbach: Das deutsche Kolonialwesen. Leipzig 1911 | Drei Auszüge aus Kapitel 2: Kolonialpolitische Grundfragen, S. 34f., 37, 40 | Portrait Peters: Public Domain (Wikimedia)
Hier stoßen wir auch auf den inneren Grund, weswegen der Neger im großen und ganzen so schwer zur Vermehrung seiner Leistungen zu bewegen ist: seine Bedürfnisse sind nicht nur gering, sondern ihm fehlt auch der Trieb, sie zu vermehren, d. h. sich zu kultivieren. Der Neger ist nach keiner Richtung hin ein Qualitäts-, sondern ganz und gar ein Quantitätsmensch, und dementsprechend bewegen sich seine Bedürfnisse auf dem Gebiet der niederen Sinnlichkeit. Er ist befriedigt, wenn er reichlich zu essen und zu trinken hat und wenn ihm Weiber nach Wunsch zu Gebote stehen. Die Güter, die wir ihm als Entgelt für erhöhte Arbeit anzubieten imstande sind, locken ihn entweder zu wenig, oder wir dürfen ihn nicht in ihren Besitz setzen, um ihn nicht selbst zu ruinieren oder ihn zu einer Gefahr für uns zu machen. Alkohol z. B. und moderne Feuerwaffen sind Dinge, nach denen jeder Eingeborene mehr als nach allem andern begehrt und für die er auch willig wäre, zu arbeiten, aber es versteht sich von selbst, dass ihm das eine so sparsam wie möglich, das andere überhaupt nicht zugeführt werden darf. Mag er nun aber viel oder wenig arbeiten, das Entscheidende, worauf es einzig ankommt, ist, dass er nicht mehr arbeiten will, als bis er das hat, was er braucht. […]
Auch der größte Negerfreund kann nicht behaupten, dass die schwarze Rasse im ganzen genommen mit der Summe körperlicher Arbeitskraft, über die sie verfügt, im Verhältnis annähernd soviel Werte schaffte, wie die übrigen Völker, die durch ihre Lebensumstände und durch ihre innere Charakterveranlagung zu wirklicher Arbeit getrieben werden. Dabei ist es falsch, nur an die weiße Rasse im Gegensatz zur afrikanischen zu denken: die Chinesen, die Japaner, die javanischen Malayen und noch manche andere Völker sind mindestens ebenso fleißig und stehen unter einem ebenso harten natürlichen Arbeitszwang, wie die Weißen. Es ist daher nicht einzusehen, woher die Schwarzen ein Privileg auf weniger Arbeit und mehr Nichtstun haben sollen, als alle übrigen Völker der Welt. […]
Aus diesem Grunde ist es auch ein prinzipieller Fehler, die Frage der Rassenverschiedenheit damit erledigen zu wollen, dass man sagt, die Neger seien nur noch nicht soweit entwickelt wie wir; wenn man ihnen Zeit und Gelegenheit dazu gäbe, so würden sie alles nachholen. Wer so denkt, vergisst, dass diejenige Periode in der Entwicklung des Menschengeschlechts, die wir historisch übersehen und zu Vergleichen benutzen können, eine verschwindend kurze gegenüber denjenigen Zeiträumen ist, die vergangen sind, seitdem sich die Rassenunterschiede herausgebildet und befestigt haben. Die menschlichen Rassen, die heute vor uns stehen, sind, von unserem Standpunkt aus gesprochen, Endprodukte von Entwicklungsreihen, die nicht Jahrtausende, sondern Hunderttausende von Jahren beansprucht haben. […]
Faksimile