Deutsche Vereinigung 1990 | Quellen

 

Diese Quellen gehören zum Modul Deutsche Vereinigung 1990

 

 

Quelle 1 | Nikolai Portugalow – sowjetischer Journalist und Berater der KPdSU – (Kommunistische Partei der Sowjetunion): Wiedervereinigung passt keinem ins Konzept | Dezember 1990 | aus: Sowjetunion heute,  Dez. 1989, zitiert nach: Gerhart Maier: Die Wende in der DDR, Bonn 1991, S. 121.

Was die Meinungs- und Entscheidungsbildung anbetrifft, betrachten wir selbstverständlich nach wie vor die DDR als unseren Hauptverbündeten, als sozialistisches Bruderland. Das besagt aber nicht, dass wir in das Geschehen hineinfunken […] Eins ist klar: Es gibt keine zwei deutschen Nationen. Es gibt eine deutsche Nation. Allerdings hat gerade die deutsche Nation enorme historische Erfahrung mit der nationalen Existenz in mehreren Staaten. Und ich wüsste nicht, warum […] man nicht ruhig sagen könnte, dass die Existenz einer souveränen DDR nicht zur Disposition steht, schon aus der geschichtlichen Erfahrung heraus […]

Machen wir uns nichts vor: Wiedervereinigung in der Form, wie man sich das in gewissen Kreisen der Bundesrepublik vorstellt, passt keinem der Nachbarn der beiden deutschen Staaten, im Osten wie im Westen, ins Konzept. Das ist mit den Erfordernissen der Stabilität geopolitisch wie geostrategisch unvereinbar. Deswegen glaube ich, dass […] langfristig die beiden deutschen Staaten souverän und gleichberechtigt, zwar nicht gegeneinander, aber miteinander weiterexistieren werden.

 

Quelle 2 | The Sunday Times: The Fourth German Reich | 12. November 1989 | zitiert nach: Gerhart Maier: Die Wende in der DDR, Bonn 1991, S. 121.

Die neunziger Jahre dieses Jahrhunderts werden durch zwei Ereignisse geprägt werden, die so weitreichend sind, dass sie die Gestalt der Politik, wie wir sie seit vierzig Jahren kannten, total verändern werden: Die Auflösung des sowjetischen Imperiums und die Wiedervereinigung Deutschlands werden Folgen haben, die die meisten Politiker noch nicht begriffen haben, nämlich das Ende der amerikanischen Präsenz auf dem europäischen Festland, das Ende der Sowjetunion als Supermacht und das Aufkommen eines Vierten Deutschen Reiches als Europas wirtschaftliche Supermacht […] Da ist nur noch eine Frage offen, die bis jetzt niemand hier zu stellen gewagt hat: Wo bleibt dann Großbritannien?

 

Quelle 3 | Michail Gorbatschow (Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU 1985-1991) | aus einem Gespräch zwischen Helmut Kohl und Michail Gorbatschow | 10. Februar 1990 | zitiert nach: Aleksandr Galkin, Anatolij Tschernjajew (Hg.): Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Oldenbourg Verlag 2011, S. 329.

Wie soll der Status eines vereinten Deutschland sein? Ich weiß, dass der Kanzler eine Neutralisierung nicht akzeptiert. Es heißt, dies würde das deutsche Volk erniedrigen. […] Es wäre unseriös, wenn ein Teil des Staates zur NATO, der andere zum Warschauer Pakt gehören würde. Irgendwo stehen am Fluss die einen Streitkräfte und am anderen Ufer sind bereits die anderen. […] Man sagt: Was ist die NATO ohne BRD? Aber es ist auch angebracht zu fragen: Was ist der Warschauer Pakt ohne DDR? Das ist eine schwerwiegende Frage. In militärischen Fragen darf es keine Divergenzen geben. Es heißt, die NATO werde ohne BRD zusammenbrechen. Aber auch für den Warschauer Pakt ist es ohne DDR das Ende. Wenn wir uns über die Hauptsache verständigen, dann ist es wichtig, dass wir auch hier nicht verschiedener Meinung sind.

 

Quelle 4 |  George Bush (Amerikanischer Präsident 1989-1993) | aus einem Telefonat zwischen Michail Gorbatschow und George Bush | 28. Februar 1990 | zitiert nach: Aleksandr Galkin, Anatolij Tschernjajew (Hg.): Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Oldenbourg Verlag 2011, S. 349f.

Wie auch Kohl halten wir die deutsche Einheit für eine positive Entwicklung der Ereignisse. Wir haben ein gemeinsames Ziel: die Bildung eines demokratischen geeinten Deutschland, das zusammen mit seinen traditionellen Verbündeten und im Rahmen eines immer stärker integrierten Europas zu Stabilität und dauerhaftem Frieden in Europa beiträgt. […]

Wir sind jedoch der Auffassung, dass jetzt, nachdem seit dem Zweiten Weltkrieg viele Jahre vergangen sind, ein geeintes Deutschland keine Befürchtungen hervorrufen sollte und den legitimen Sicherheitsinteressen welches Staates auch immer keinen Schaden zufügen wird. Die BRD ist bereit, mit ihren Nachbarn, der UdSSR, und ihren Verbündeten im Interesse der Stabilität und des Friedens in einem sich rasch wandelnden Europa zusammenzuarbeiten. 

 

Quelle 5 | Margaret Thatcher (Britische Premierministerin 1979-1990) | aus einem Gespräch zwischen Margaret Thatcher und Michail Gorbatschow | 8. Juni 1990 | zitiert nach: Aleksandr Galkin, Anatolij Tschernjajew (Hg.): Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Oldenbourg Verlag 2011, S. 444.

Was die Vereinigung Deutschlands angeht, so hege ich in dieser Hinsicht bestimmte Befürchtungen […]. Ich bin überzeugt davon, dass für die Vereinigung eine lange Übergangsperiode erforderlich ist. Dafür hat mich die Presse in der BRD, in Frankreich und in den USA kritisiert. Aber nun ist bereits klar geworden, dass es keine lange Periode geben wird und dass die DDR der BRD gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes dieses Landes beitreten wird. Ganz Europa verfolgt diesen Prozess nicht ohne eine gewisse Furcht und erinnert sich sehr gut daran, wer beide Weltkriege begonnen hat. Die Aufgabe besteht darin, die Möglichkeit eines Konflikts auszuschließen, der erneut von deutschem Boden ausgeht.

Die amerikanische Militärpräsenz in Europa ist ein stabilisierender Faktor. Aber nur an einem Ort ist diese Präsenz am meisten notwendig – auf dem Territorium Deutschlands. […] Nebenbei gesagt, im amerikanischen Kongress glauben einige, dass es erforderlich sei, das Ausmaß der militärischen Präsenz der USA in Europa wesentlich zu reduzieren. Ich hoffe, dass die amerikanischen Gesetzgeber darin nicht zu weit gehen. Wenn die amerikanischen Streitkräfte in Deutschland bleiben, dann wird dies ein massiver Sicherheitsfaktor für alle sein, die Sowjetunion eingeschlossen. Und da die DDR die Absicht hat, der BRD beizutreten – und Letztere ist bereits NATO-Mitglied – so glauben wir, dass das gesamte vereinigte Deutschland mitsamt den dort stationierten amerikanischen Streitkräften in der NATO sein muss.

 

Quelle 6 | Toger Seidenfaden (dänischer Journalist): Keine Angst vor Deutschland | 21. September 1990 | Die Zeit zitiert nach: Gerhart Maier: Die Wende in der DDR, Bonn 1991, S. 121.

Vielerorts wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Deutschland heute keine Gefahr mehr für Europa bedeutet. Schließlich hat die liberale Demokratie in der Bundesrepublik ihre Bewährungsprobe glänzend bestanden; der Rechtsradikalismus bleibt eine verhältnismäßig marginale Erscheinung, und die wirtschaftlichen und sozialen Leistungen Deutschlands sind eindrucksvoll. Aber weniger oft wird außerdem darauf aufmerksam gemacht, dass auch der zweite Teil des verbreiteten Vorurteils über die deutsche Gefahr fragwürdig ist: Wird denn das neue Deutschland wirklich so stark sein, wie oft angenommen? Genauer wird es stark genug sein, um ernsthaft die Stabilität und den Zusammenhalt Europas zu bedrohen? […]

Es ist einfach nicht überzeugend, dass höchstens 78 Millionen Deutsche eine Gemeinschaft von – mindestens – 300 Millionen demokratisch integrierten Europäern unter ihrer Fuchtel halten könnten. Nichts spricht dafür, das neue Deutschland werde sich in Europa töricht verhalten. Aber selbst wenn es das täte: es wäre zu schwach, um mehr zu sein als ein Ärgernis.