Die Quellen gehören zum Modul Spanische Grippe
Die Quellen werden zitiert nach: Lorenz, Victoria Daniella: Die Spanische Grippe von 1918/1919 in Köln: Darstellung durch die Kölner Presse und die Kölner Behörden, Köln 2011 | Außerdem können die Zeitungsartikel teilweise im Original im Online-Zeitungsarchiv zeit.punkt.NRW eingesehen werden. Beim Anklicken der Faksimile wird die ganze Zeitungsseite aufgerufen.
Quellenpaket B | Ausmaße – Verharmlosung – Maßnahmen – „Gegenmittel“
Ausmaße
Quelle 1 | Zeitungsartikel (ohne Überschrift) aus dem Stadt-Anzeiger zur Kölnischen Zeitung vom 25. Oktober 1918
Die Grippe fällt als schlimme Massenerkrankung über die Bevölkerung her, verschont kein Alter und keinen Stand. Immerhin bleibt zugunsten des vorschulpflichtigen und schulpflichtigen Kindesalters festzustellen, daß diese Altersgruppen in geringerem Maße als der Durchschnitt befallen und auch weniger schlimm mitgenommen werden, als die Erwachsenen. Unter den Erwachsenen sind es besonders Frauen und Mädchen im Alter von 20 bis 30 Jahren, die vorzugsweise erkranken und deren Erkrankung durch komplizierte Lungenentzündung leider sehr oft zum Tode geführt hat. Auf Grund der uns mitgeteilten Zahlen ist festzustellen, daß die Grippe bis in die letzten Tage hinein erheblich zugenommen hat. […] Die höchsten täglichen Verlustziffern in dieser Zeit betragen 44, 45, 49. Aus den Hospitalaufnahmezahlen und einer Reihe von Mitteilungen beschäftigter Aerzte kann man vielleicht den vorsichtigen Schluß ziehen, daß die Erkrankung seit etwa zwei Tagen ihre Höhe erreicht hat, um jetzt noch für einige Tage unter kleinen Schwankungen ungefähr auf gleicher Höhe zu bleiben und dann hoffentlich deutlich abzusinken.
In der städtischen Verwaltung stieg die Zahl der fehlenden Beamten, Angestellten und Hilfskräfte seit dem 14. bis 23. Oktober von 340 auf 557. Bei der Oberpostdirektion werden als an Grippe erkrankt geführt: am 18. Oktober 327; am 23. Oktober 566 Personen. Bei der Eisenbahndirektion betrug die Zahl der an Grippe erkrankten Kölner Eisenbahnbeamten usw: am 14. Oktober 300; am 23. Oktober 1000. Bei der städtischen Straßenbahn fehlten am 17. Oktober 360, am 24. Oktober 473 Personen. Bei der unheimlich schnellen Ausbreitung, die die Grippe genommen, ist es nicht verwunderlich und leider auch nicht vermeidbar, daß die ärztliche Versorgung der Grippekranken namentlich in den Vororten zu allergrößten Schwierigkeiten geführt hat. […]
Die städtischen Hospitäler haben bisher den Ansturm der Kranken noch aufnehmen können, freilich nur unter mühevoller Bereitstellung neuer Krankenräume und neuer Krankenbetten. Auch jetzt sind die städtischen Hospitäler noch weiter aufnahmefähig. Die übermenschliche Arbeit, welche die Ärzte, Schwestern und insbesondere unsere Hospitalärzte zu leisten haben, ist ganz enorm und verdient unseren herzlichen Dank.
Öffentliche Vorbeugungsmaßregeln versprechen wenig Erfolg. Wie Sie wissen, sind die Schulen auf 14 Tage geschlossen worden. Auch hiervon kann man sich wenig eine große vorbeugende Wirkung versprechen. Wollte man energische Absperrungsmaßnahmen treffen, so müßte man den gesamten Verkehr auf der Eisenbahn, auf der Straßenbahn, in Straßen und Geschäften und schließlich auch in Fabriken und Werkstätten lahmlegen. Damit, daß man Theater und Vergnügungslokale schließt, würde man nur einen kleinen Teil des Verkehrs treffen, der zur weiteren Verbreitung der Krankheit führen kann.
Verharmlosung
Quelle 2 | Zeitungsartikel (ohne Überschrift) aus dem Kölner Tageblatt vom 3. Juli 1918
Die „Spanische Krankheit“, so schreibt uns ein Mitarbeiter, ruft die Erinnerung an die schlimme Winterzeit 1889/90 in lebhafter Weise bei vielen Lesern wieder wach. Wohl kein Haus in Köln bliebe damals von der Seuche verschont, und die Zahl der erkrankten Angestellten, Arbeiter usw. in manchen Betrieben, Geschäften und Fabriken war so groß geworden, daß nur die allerdringlichsten Arbeiten und Sachen erledigt werden konnten. In manchen Zeitungsdruckereien gelang es damals nur mit Ach und Krach, die Blätter fertigzustellen. Der neue Modename „Influenza“ hatte die Leute etwas ängstlich gemacht. Da aber die Krankheit in den meisten Fällen ohne weitere Verschlimmerungen schnell wieder verschwand, legte sich auch bald die Aufregung. Allmählich gewann die Anschauung immer mehr an Boden, daß die neue Influenzakrankheit doch nur ein anderer Name für die altväterliche Grippe war, die betagte Leute aus ihrer Jugendzeit her noch kannten. Auch jetzt hat sich ja die Überzeugung durchgerungen, daß die neue spanische Krankheit auch nur eine Art Grippe ist. Hoffentlich wird günstiges Sommerwetter ihrer weiteren Verbreitung bald ein Ziel setzen.
Maßnahmen
Quelle 3 | Zeitungsartikel aus dem Kölner Lokal-Anzeiger vom 19. Oktober 1918
Im Kampf gegen die Grippe.
Ärztliche Beobachtungen und Ratschläge lauten:
- Krankheitserscheinungen sind Müdigkeit, Frösteln, Kopfschmerzen
- Beim ersten Auftreten dieser Erscheinungen soll man sich sofort legen und zum Schwitzen bringen (heißen Tee trinken usw.)
- Nicht warten! Die ersten Stunden der Erkrankung sind entscheidend, weil verhütet werden muss, daß die Krankheitserreger sich vermehren.
- Sorgfältig hüten vor geringster Erkältung! Luftzug vermeiden, er birgt die Gefahr der Lungenentzündung!
- Das Krankenzimmer soll täglich gut gelüftet werden.
- Zu frühes Aufstehen des Kranken ist gefährlich
Quelle 4 | Zeitungsartikel aus dem Kölner Lokal-Anzeiger vom 19. Oktober 1918
Schließung sämtlicher Schulen.
Mit Rücksicht auf das Umsichgreifen der Grippe hat der Oberbürgermeister nach Anhörung der Gesundheitskommission und im Einverständnis mit den Kreisärzten die sämtliche Schulen des Stadtbezirks auf 14 Tage, vom 21. Oktober bis einschließlich 3. November, geschlossen.
Die Krankheitsziffer in den Schulen beträgt durchschnittlich 10 – 15 Proz. des Schülerbestandes, dazu sind viele Lehrer erkrankt, so daß der Schulunterricht heute schon an manchen Stellen nur mit Schwierigkeiten durchzuführen ist. Es handelt sich bei dem Schluß um eine rein vorbeugende Maßregel, die zu größerer Beunruhigung keine Veranlassung bietet.
Die Krankheit hat allerdings in den letzten Tagen noch zugenommen, auch eine Reihe von Todesfällen an Lungenentzündung ist leider zu beklagen. Bei den Ortskrankenkassen liegen zahlreiche Krankheitsmeldungen vor, dagegen ist die Verbreitung in manchen Werken und Betrieben verhältnismäßig gering.
Die städtischen Hospitäler haben bis jetzt den großen Andrang an Kranken noch aufnehmen können und werden auch weiter dazu in der Lage sein, wenn, was erhofft werden kann, in den nächsten Tagen die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hat, so daß in den Hospitälern der Zu- und Abgang an Grippekranken sich ausgleicht.
„Gegenmittel“
Quelle 5 | Zeitungsartikel (ohne Überschrift) aus dem Kölner Lokal-Anzeiger vom 4. August 1918
Die Spanische Grippe macht noch immer von sich reden. Eine sehr verfehlte Ansicht macht sich zur Zeit in weitesten Bevölkerungskreisen geltend. Man meint, man könne dieser Krankheit durch Schnaps, Wein und andere Alkoholika den Einzug verwehren. Man vergißt, daß der Alkohol, ganz besonders in der Form es heute so gefährlichen und dabei teuren Schnapses, den Körper gegen Krankheiten und hauptsächlich gegen Infektionskrankheiten, wie die Grippe eine ist, widerstandsunfähiger macht. Man frage einmal Ärzte, Krankenschwestern usw. Also fort mit dem unsinnigen Schnapsgenuß bei der Grippe. Packt jemanden diese Krankheit, dann lege man sich ins Bett, rufe den Arzt und stehe nicht zu früh auf, sonst kommen – es ist eine Erfahrung – die viel gefährlicheren Nachkrankheiten.
Quelle 6 | Leserbrief an den Kölnische Volkszeitung vom 27. Oktober 1918
Neues aus Köln
Da die Spanische Grippe, wohl der einzige Artikel, dessen Einfuhr nach Deutschland nicht unterbunden ist, zurzeit auch in Deutschland wieder wütet, so möchte ich darauf hinweisen, daß Heublumenwickel und- bäder das wirksamste Vorbeugemittel gegen diese Erkrankung sind. Bekanntlich hat Kneipp das hohe Lied der Heublumen schon vor vielen Jahren gesungen und auf Grund der praktischen Erfahrungen, die er in mehreren Jahrzehnten bei Tausenden von Kranken gesammelt, festgestellt, daß es eine wirksamere Vorbeugung, zumal gegen ansteckende Krankheiten, nicht gebe.