Menschenzoo | Quellen

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Quellen | Zeitungsberichte über die Völkerschau der „Feuerländer“ 1881/1882

Damalige Rechtschreibung wird beibehalten.

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Quelle 1 | Ein wahrer Sturm wurde am jüngsten Sonntag während des ganzen Tages auf die Pferdebahnwagen unternommen, welche nach dem Zoologischen Garten fuhren. Hunderte von Fahrlustigen warteten an den Anfangspunkten der betreffenden Linien auf die herankommenden Wagen, um sie, ehe sie noch hielten, im Sturm zu nehmen. Vor dem Portal des Zoologischen Gartens war der Andrang ein ungeheurer, so daß vier Kassenschalter kaum genügen konnten. War doch die Attraktionskraft vorgestern eine doppelte: Die Feuerländer und die an dem ersten Sonntage eines jeden Monats übliche Eintrittspreis-Ermäßigung auf 25 Pfennig. Schon im Laufe des Vormittags belief sich die Zahl der Besucher auf ca. 20.000 und stieg bis 5 1/4 Uhr Abends, zu welcher Zeit die Kassen geschlossen wurden, auf 37.163. Während Vormittags Alles ganz ruhig verlief, entwickelte sich Nachmittags bei den Pescherähs ein furchtbares Gedränge, so daß einige vierzig Planken der Umzäunung eingedrückt wurden und die Aufseher alle Mühe hatten, einige Ordnung zu erhalten; als jedoch um 5 1/2 Uhr sich die Feuerländer in die inneren Gemächer ihres Erdgelasses zurückzogen, nahm der Tumult bedenkliche Dimensionen an. Feuerländer raus! brüllte ein tausendstimmiger Chorus. Bänke und Stühle wurden zerbrochen und erst mit Hülfe requirierter Schutzleute gelang es, die Ruhe wieder herzustellen, worauf sich gegen 7 Uhr das Publikum verlief. Um die von dem Zoologischen Garten nach der Stadt zurückfahrenden Pferdebahnwagen wurden nun förmliche Kämpfe ausgefochten. […] Der Bierkonsum an den verschiedenen Restaurationsstellen des Zoologischen Gartens belief sich auf ca. 50 Tonnen.

Berliner Tageblatt und Handelszeitung, 8. November 1881

Quelle 2 | Vor ein paar Tagen machte sich ein Herr den Spaß, jedem der um ihr Feuer sitzenden Feuerländer eine Mundharmonika in die Hand zu geben, und nachdem ihnen die Nutzanwendung dieser Instrumente mit vieler Mühe begreiflich gemacht worden war und sie dieselbe endlich kapirt hatten, setzte jeder der Herren Wilden nebst ditto [ebenso] Frauen und Kinder die Mundharmonika zwischen die Lippen und nun begann unter dem schallenden Gelächter des Publikums und unter größter Heiterkeit der Feuerländer selbst ein Konzert, das „Steine erweichen und Menschen rasend machen“ könnte.

Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger, 19. Januar 1882

Quelle 3 | Der Hauptandrang [der Besucherinnen und Besucher] fällt, wie immer auf die Zeit ihrer Mahlzeiten. Übrigens hat ihr Appetit gegen früher ganz bedeutend nachgelassen. Die ganze Gesellschaft (8 Erwachsene und zwei Kinder) verbraucht zur Zeit täglich ca. 20 Pfund [das sind 10 kg] Rind- und Kalbfleisch, 20 Liter Muscheln, 20 Stück Eier, 6-7 Pfund Zwieback, Milch u. s. w., während sie in Paris beispielsweise noch 46 Pfund Fleisch täglich und in gleichem Verhältniß ungefähr von den anderen Nahrungsmitteln vertilgten.

Neues Tagblatt und Generalanzeiger für Stuttgart und Württemberg, 24. Dezember 1881 

Quelle 4 | Sie rösteten sodann den Rest der mitgebrachten Fleischvorrathes und verzehrten dasselbe derart, daß man es höchstens mit dem Ausdruck Verschlingen bezeichnen kann. Die Männer fielen zuerst über das Fleisch her wie wilde Thiere über eine Beute, setzten einen Fuß auf ihren Antheil, von dem sie sich große Stücke mit den Fingernägeln abrissen und dieselben mit thierischer Gier verschlangen. Erst nachdem sie ihren Hunger befriedigt, überließen sie den Frauen und den Kindern den Rest. Während der Mahlzeit stießen sie beständig eigenthümlich klingende Kehllaute aus. 

Norddeutsche allgemeine Zeitung, Abend-Ausgabe, 20. Oktober 1881
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Quelle 5 | Das Neueste für Zürich bildet gegenwärtig eine Feuerländer-Gesellschaft, welche in der Stärke von 10 Personen, Männern, Weibern und Kinder, sich am 18. d. im Plattentheater zur Schau stellen wird. Zur Empfehlung wird beigefügt, dieselben seien von der Kultur noch total unbeleckt und fressen im Nothfall ihre Nebenmenschen auf. Bei der Ankunft des europäischen Schiffes an der Küste ihres Eilandes sei eins der Frauen eben damit beschäftigt gewesen, einen menschlichen Armknochen, dessen Fleisch schon teilweise in Verwesung übergegangen, abzunagen.

Seeländer Bote, Band 33, Nummer 20, 16. Februar 1882

Quelle 6 | Daß sie Anthropophagen [Kannibalen] sind, hat der älteste derselben, Capitano, in Nürnberg bewiesen. Als er nämlich daselbst beim Bahnhof unter der großen Volksmenge eine sehr korpulente Dame bemerkte, konnte er die Augen nicht von ihr abwenden und sagte zu Hrn. Terne: „Die gibt gut Fleisch, in’s Feuer geworfen“.

Neue Zürcher Zeitung, Nummer 58, 27. Februar 1882 Ausgabe 2

Quelle 7 | Ein Stündchen bei den Feuerländern. Die plötzlich eingetretene Kälte in den armen Pescherähs, die doch in ihrer Heimath unter dem 58. Grad südlicher Breite an das rauheste Klima gewöhnt sind, nicht gut bekommen; alle haben sich einen tüchtigen Katarrh [Entzündung der Atemwege] zugezogen. Die Indisposition [Erkrankung] der Liese, bekanntlich die intelligenteste der Pescheräh-Damen, war vorgestern und gestern so bedeutend, daß das Publikum während dieser zwei Tage auf die Ehre verzichten mußte, die Bekanntschaft dieser Perle des Feuerlandes zu machen. An Lieses Stelle machte nun vorgestern und gestern deren Kousine, die schelmische Grete, die „Honneurs [frz.: Ehre] des Hauses“, und um der Wahrheit die Ehre zu geben, müssen wir es eingestehen, mit einem Geschick und Takt, wie man es von einer feuerländerischen Donna [ital.: Frau] nicht besser verlangen kann. […] Grete ist in sehr bedenklichem Grade kokett [gefallsüchtig]. Wenn ihr nur irgend ein Herr freundlich zunickte, so strahlte ihr Angesicht von Wonne, Mit einem unnachahmlichen Grinsen zeigte sie ihre Elfenbeinzähne und erwiederte in der liebenswürdigsten Weise die ihr dargebrachte Huldigung; ja noch mehr: es war ersichtlich, daß Grete die Huldigungen der Herren vom Militär ganz besonders zu schätzen weiß. Fast hätte gestern Nachmittag die Koketterie der Grete eine Scene herbeigeführt, deren Konsequenzen nicht abzusehen gewesen wären. Als nämlich ein Wärter des Zoologischen Gartens etwas stark mit Grete liebäugelte, und diese dito [ebenso] reagirte, erhob sich wie ein Blitz der „Capitano“, das Haupt der Familie, und schritt ersichtlich indignirt [entrüstet] der Hütte zu; und als ihn ein schallendes Gelächter der zuschauenden Jugend begleitete, drehte er sich zornig um und schleuderte dem Publikum einige kräftige Flüche zu, die etwa klingen wie: „Stiklingakna“. Ein wahres Glück für den Wärter, dass diese Szene sich hier in Berlin und nicht im Feuerlande abspielte, er wäre sonst sicher in diesem Augenblicke bereits von dem eifersüchtigen Capitano als Kotelet ausgespeist worden.

Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Freitag, 4. November 1881

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