Frauen in der DDR | Quellen

 

Die Quellen gehören zum Modul Frauen in der DDR

 

Quelle 1 | Entschließung des 2. Frauenkongresses der DDR (Auszug) | 11. Juni 1969 | aus: Dokumentation der Zeit vom August 1969 (Jg. 21, Nr. 16), S. 12; zitiert nach: Hermann Weber: Dokumente zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik 1945-1985 München 1987 (3. Auflage), S. 307

Vor unser aller Augen entsteht schon heute das Bild der Frau der siebziger Jahre: Sie wird eine Staatsbürgerin mit einem festen sozialistischen Standpunkt sein, deren Gesichtskreis sich ständig vergrößert. Sie wird sich durch eine hohe Allgemeinbildung auszeichnen, über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen und sich unermüdlich weiterbilden. Sie wird mit vielseitigen Interessen, mit Sachkenntnis und hohem Verantwortungsbewusstsein bedeutende Aufgaben in der Gesellschaft meistern, über Erfahrungen in der Leitungstätigkeit verfügen, Mut und Selbstvertrauen besitzen. Ihr Verhalten wird geprägt sein von der Verantwortung für die sozialistische Gemeinschaft. Sie wird sich durch hohe geistig-kulturelle Interessen auszeichnen, ihre Freizeit sinnvoll nutzen, ihre Spannkraft und Lebensfreude durch sportliche Betätigung erhöhen und mit Charme und Geist wirkungsvoll das Leben unserer Gesellschaft beeinflussen. Als gleichberechtigte Partnerin und gute Gefährtin des Mannes wird sie auf neue Weise das Zusammenleben in Ehe und Familie bereichern und dazu beitragen, dass sich alle Familienmitglieder gleichermaßen entwickeln, dass sich eine neue harmonische Gemeinsamkeit herausbildet, die das Leben der Familie glücklicher, inhaltsreicher und schöner denn je werden lässt. So wird sie ihren Kindern als liebevolle Mutter eine noch verständnisvollere Freundin sein, denn sie nimmt aufgeschlossen und klug an ihrem Leben Anteil, ist ihnen Vorbild und gibt ihnen Ansporn für ihren zukunftsreichen Weg in das Jahr 2000.

 

Quelle 2 | Inge Lange: Frauenpolitik im 35. Jahr des Bestehens unserer Republik | Januar 1984 | aus: Neuer Weg von 1984 (Jg. 39, Nr. 1), S. 3f.; zitiert nach: Hermann Weber: Dokumente zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik 1945-1985 München 1987 (3. Auflage), S. 391f.

Der X. Parteitag der SED stellte den Leitungen unserer Partei, der Gewerkschaften und der Frauenorganisation, aber auch den staats- und wirtschaftsleitenden Organen die Aufgabe, “jene gesellschaftlichen und individuellen Werte gut zu nutzen, die mit der Gleichberechtigung geschaffen wurden, um den Leistungswillen der Frauen bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft noch stärker zur Wirkung zu bringen.” […] Gegenwärtig sind über 4,7 Millionen Frauen und Mädchen berufstätig, lernen oder studieren. Das sind eine halbe Million Frauen mehr als 1970, obwohl seitdem die weibliche Wohnbevölkerung im arbeitsfähigen Alter nur um knapp eine viertel Million zunahm. Der Beschäftigungsgrad stieg damit auf derzeitig 89 Prozent. Lenin sagte einmal, als erreicht gilt, was “in die Kultur, in das Alltagsleben, in die Gewohnheiten eingegangen ist”. Genau das trifft sowohl quantitativ als auch qualitativ auf die Berufsarbeit der Frauen in unserem Land zu. […] Es ist ganz klar, diese grundlegenden Veränderungen in der gesellschaftlichen Stellung der Frau konnten sich nur dank der von unserer Partei initiierten umfangreichen sozialpolitischen Maßnahmen vollziehen. So ging vor allem eine enorme Entwicklung in der Kapazität und im Netz der Vorschuleinrichtungen vor sich. Bis Ende 1983 hat sich die Zahl der Plätze in den Kinderkrippen gegenüber 1970 fast verdoppelt, so dass derzeitig von je 1000 Kindern der entsprechenden Altersgruppe 657 Aufnahme finden.

Hinsichtlich der Kindergärten hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze sogar mehr als verdoppelt, so dass unsere Republik bisher das einzige Land ist, in dem alle Kinder, deren Eltern es wünschen, dort auf genommen, betreut und auf den Schuleintritt vorbereitet werden können. Das gleiche gilt für die Entwicklung der Schulhorte für Schüler der 1. bis 4. Klasse.

 
 

 Quelle 3 | Porträt Regina W. (Direktorin für  Absatz in Außenwirtschaft im Kombinat Elektroapparatewerk Berlin-Treptow) im Frauenmagazin „Für Dich“ | 1974 | aus: Für Dich. Illustrierte Zeitschrift für die Frau, Jg 1974, Nr. 6, S. 7ff.

Würden Sie wieder Leiterin werden?

„Nein. ich möchte gern mit vielen Menschen zu tun haben. Aber Leiter würde ich nicht wieder werden.“

Aber Ihre Arbeit macht Ihnen Spaß?

„Ja, großen Spaß.“

Man muss mehr von Regina W. wissen, als dass sie gern arbeitet, will man diesen Widerspruch verstehen. Sie steht jeden Morgen um halb fünf auf und kommt selten vor sieben oder acht Uhr am Abend nach Hause. Auch das ist nicht sicher. […]

“Ich brauche mich gar nicht erst zu verabreden, ich komme doch nicht”, oder “Ich bin immer müde”, und letztlich, an einem Freitagabend: “Das ist doch kein Leben.” Befragt danach, wie sie sich denn ihr Leben vorstelle, sagt sie, so genau wüsste sie das auch nicht, vielleicht könne sie sich das gar nicht mehr vorstellen. Sie braucht auf jeden Fall mehr Zeit.

„Ich möchte mal ins Theater gehen, bevor es angefangen hat. Ich brauche mehr Zeit für mein Kind. Ich möchte mal wieder, wie als Studentin, einen ganzen Sonntag im Bett bleiben, lesen, im Nachthemd durch das Zimmer gehen und wieder ins Bett, essen, Musik hören. Ich schlafe so gern.”

Sie kocht gern, trifft sich gern mit Freunden und Bekannten, liest gern, ist früher in alle Bibliotheken gelaufen, freut sich über ihre Wohnung, die sie sich schön gemacht hat und in der sie selten ist. Kurz: Ihr macht das Leben Spaß. Dazu gehört ihre Arbeit, aber dazu gehört mehr. Für das Mehr bleibt wenig Zeit. Darum sagt Regina W. an jenem Freitag Abend, manchmal hätte sie es satt. […]

Einen Menschen gibt es, nach dem keiner von denen fragt, die nach 17 Uhr mit Regina W. unbedingt ein Problem lösen müssen oder von einem Tag zum anderen eine Konzeption von ihr erwarten, den keiner fragt, wann eine Beratung beendet werden muss, obwohl ihn das sehr viel angeht. Er steht auf keiner Kaderliste eines Ministeriums, in keinem Terminkalender eines Direktors. Er steht im Personalausweis von Regina W. unter der Rubrik Kinder und im Klassenbuch unter ,,W. Peer“.

Das  Klassenbuch sagt auch aus über die Schwierigkeiten, die der Sohn von Regina W. in der Schule hat. Und würde es eine Seite in diesem Buch mit der Überschrift “Konflikte” geben, so müsste darauf über Peers Warten berichtet werden und über das oft schlechte Gewissen seiner Mutter, über die Sehnsucht in Peers Stimme, wenn er zwischen zwei Löffeln Nudel-Suppe sagt “Es müsste immer jemand da sein, das wäre schön”, und über Regina W.’s Ratlosigkeit bei der Frage: “Was soll ich denn machen?”