Politisches System der DDR | „Die Partei hat immer recht“

Deutsche Demokratische Republik | Modul 2 | Verstehen und urteilen | Herrschaft: Diktatur | ◻◻ mittel | ca. 20 min | vertiefende optionale Aufgabe: 20 min

Klaus Franke: Eröffnung des XI. SED-Parteitags am 17. April 1986 im Palast der Republik, Ostberlin | (Bundesarchiv Bild 183-1986-0417-414, Berlin, XI. SED-Parteitag, Eröffnung, CC BY-SA 3.0 DE, Wikimedia): Bild anklicken

 

Die am 7. Oktober 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik bezeichnete sich selbst als Demokratie oder Volksdemokratie. Das Parlament, die Volkskammer, wurde alle vier (ab 1971 alle 5) Jahre gewählt – allerdings stand immer schon vor den Wahlen fest, welche Parteien und Gruppierungen in welcher Stärke in der Volkskammer sitzen würden. Die Wähler konnten nur entscheiden, ob sie der Einheitsliste der sogenannten Nationalen Front zustimmten oder nicht. Die Wahlen waren nicht geheim: Um der Einheitsliste zuzustimmen, sollten die Wähler ihre Wahlzettel unausgefüllt in die Urne werfen. Wer mit „Nein“ stimmen wollte, musste zum Ankreuzen in eine Wahlkabine gehen – und nachher mit Repressalien rechnen. So kann es auch nicht verwundern, dass die Einheitsliste meist über 99 Prozent Zustimmung erhielt.

Die Einheitsliste sicherte der SED – der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands – immer die Mehrheit zu. Die Partei wurde 1946 nach dem erzwungenen Zusammenschluss von SPD und KPD gegründet und war seither die bestimmende politische Kraft in der DDR. Deshalb lag die eigentliche Staatsmacht auch nicht beim Parlament, sondern im Zentralkomitee (ZK) der SED. Das wichtigste politische Amt war das des Generalsekretärs des ZK der SED (von 1950 bis 1971: Walter Ulbricht – von 1971 bis 1989: Erich Honecker). Die meisten wichtigen politischen Beschlüsse wurden deshalb auch nicht in der Volkskammer, sondern auf den Parteitagen der SED gefasst beziehungsweise vom Zentralkomitee verkündet.

Aufgaben

1 | Das „Lied der Partei“ mit dem bekannten Refrain Die Partei hat immer recht“ wurde in der DDR seit 1950 gesungen. Höre es dir hier einmal an (zumindest die erste Strophe und den Refrain). Auch in den Verfassungen der DDR kommt der Anspruch der Partei zum Ausdruck. So hieß es in der zweiten Verfassung von 1968 direkt am Anfang (Artikel 1 – Absatz 1):

Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen.

„Marxistisch-Leninistisch“ bezieht sich auf Karl Marx (dem Begründer der Theorie des Kommunismus) und Lenin (dem russischen Revolutionär). Der Kommentar zur Verfassung führte den Artikel 1 weiter aus:

Die Entfaltung einer breiten und wirksamen sozialistischen Demokratie ist also Bedingung und Ausdruck der Verwirklichung der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei unter den gegenwärtigen Bedingungen. Das heißt aber auch, dass sozialistische Demokratie undenkbar ist ohne die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei. Die sozialistische Demokratie unterscheidet sich von der bürgerlichen gerade dadurch, dass sie die Kräfte der Gesellschaft zum gemeinsamen produktiven Schaffen für das Wohl alles und jedes einzelnen mobilisiert und zur höchsten Entfaltung bringt.

    a) Erläutere, ob und wie die Rolle der SED - wie sie im Lied und in der Verfassung zum Ausdruck kommt - demokratischen Ansprüchen gerecht wird oder nicht.

    b) In der heutigen Bewertung wird die DDR meist als Diktatur eingestuft (siehe hierzu auch das Modul: War die DDR eine Diktatur? | Geschichte schreiben in der Wikipedia). Schau dir die Definition des Begriffs Diktatur an und beurteile, ob diese Definition auf das politische System der DDR zutrifft.

     

    Vertiefende Aufgabe | optional | Dauer: ca. 20 min

    2 | Es gibt Parallelen zwischen der DDR und dem Nationalsozialismus: Auch die NSDAP (die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei") war die zentrale politische Macht im sogenannten Dritten Reich. Gleichzeitig blieben die Verfassungsorgane der Weimarer Republik weiter bestehen. Beispielsweise trat der Reichstag immer wieder zusammen, hatte aber nichts mehr zu sagen.

    In heutigen Diskussionen werden die Zeit des Nationalsozialismus und der DDR gelegentlich auf die dieselbe Stufe gestellt: Beide politische Systeme waren Diktaturen und stark von Ideologien geprägt. Sie versuchten die Menschen in Massenorganisationen oder Veranstaltungen wie die Parteitage an den Staat zu binden. Es gab aber auch wichtige Unterschiede, die du in der Tabelle unten aufgelistet findest.

    Beurteile: Was überwiegt nach deinem Eindruck: die Gemeinsamkeiten oder die Unterschiede? Ist es aufgrund dieser Überlegung deiner Meinung nach gerechtfertigt, den Nationalsozialismus und die DDR auf dieselbe Stufe zu stellen? Ihr könnt eure Ergebnisse aus Aufgabe 2 auch der Klasse präsentieren und gemeinsam diskutieren.

    Nationalsozialismus

    DDR

    • Adolf Hitler war als „Führer des Deutschen Reichs“ uneingeschränkter Diktator.
    • Die größte Macht der DDR hatte das Politbüro des Zentralkomitees der SED (bestehend aus 15 bis 20 Mitgliedern). Der Generalsekretär konnte vom Politbüro abgewählt werden, hatte also keine uneingeschränkte Macht. Das Politbüro wiederum war abhängig von Weisungen aus der Sowjetunion.
    • Adolf Hitler war eine charismatische Führungspersönlichkeit. Der „Führerkult“ trug erheblich zur Festigung der Macht der NSDAP bei.
    • Die Generalsekretäre der SED – Walter Ulbricht und Erich Honecker – galten als eher blasse Politiker und waren nicht besonders beliebt.
    • Die nationalsozialistische Ideologie gründete auf verschiedenen menschenverachtenden Teilaspekten – z.B.  einem übersteigerten völkischen Nationalismus, der Lebensraum-Ideologie, Antisemitismus und Rassismus.
    • Die Ideologie der DDR war der Sozialismus bzw. Kommunismus, der nach Karl Marx eine Gleichstellung der Menschen in Bezug auf das Verhältnis zu den Produktionsmitteln vorsah. In der Parteiendiktatur der DDR wurde dieses Ziel nicht glaubwürdig umgesetzt, da Parteifunktionäre privilegiert waren und Teile der Bevölkerung unterdrückt wurden.
    • Gegner des Nationalsozialismus wurden durch den Terror der Gestapo (Geheime Staatspolizei) eingeschüchtert. Sie zählte 1935 etwa 5.000, 1941 etwa 10.000 Mitarbeiter (bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 80 Millionen). Daraus lässt sich schließen, dass es in der Bevölkerung eine nur relativ geringe Ablehnung des NS-Regimes gab.
    • Die Bevölkerung der DDR (etwa 15 Mio. Menschen) wurde durch die Stasi (Staatssicherheit) überwacht. Sie zählte in den 1980er Jahren 90.000 hauptamtliche und zusätzlich etwa 160.000 inoffizielle Mitarbeiter. Aus dem aufgeblähten Überwachungsapparat lässt sich schließen, dass die DDR-Führung nur wenig Zustimmung fand und der eigenen Bevölkerung misstraute.
    •  Die Folgen der nationalsozialistischen Herrschaft waren verheerend: Innerhalb des Deutschen Reichs wurden etwa 130.000 politische (oder andere) Gegner, 150.000 jüdische Menschen und 100.000 Menschen mit Behinderung ermordet. In Europa wurden während des Zweiten Weltkriegs über 20 Millionen Zivilisten Opfer nationalsozialistischer Verbrechen, darunter etwa 6 Mio. europäischer Juden im Holocaust.
    •  Über die Zahl der in der DDR getöteten Menschen gibt es stark abweichende Zahlen. Gesichert ist nach aktuellem Stand die Zahl von über 1.800 Opfern (Hingerichtete, auf der Flucht Getötete u.a.). Einige Schätzungen gehen von bis zu 50.000 Toten aus.

     

    Stichworte zum Modul Die Partei hat immer recht | Einparteien-Diktatur | Geschichte | Geschichtsunterricht | Unterricht

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