Entnazifiziert? | Quellen

 

Die Quellen gehören zum Modul Entnazifiziert? | Umgang mit der NS-Vergangenheit

 

Quelle 1 | Spottgedicht auf die Entnazifizierung | ohne Autor und Datum (Oktober 1945)

Das Spottgedicht war einem Lagebericht des Landrats von St. Goarshausen vom 30. 10. 1945 unter der Überschrift „Das gibt es noch!“ beigefügt; er kommentierte es folgendermaßen: „Wie die Bevölkerung darüber denkt, besonders wie sie darüber denkt, dass jetzt plötzlich alle möglichen berufenen und unberufenen Stellen Zeugnisse ausstellen, um Parteigenossen zu bescheinigen, dass sie eigentlich ganz harmlos waren, dass sie nie ein Wässerchen getrübt haben, ja dass es zum Schluss ein Glück für die Menschheit gewesen ist, dass sie der Partei angehört hatten, ersehen Sie aus dem beiliegenden Gedicht, das auf gutem Papier, sehr gut und deutlich in großen Lettern gedruckt, in einigen Dörfern meines Kreises öffentlich angeschlagen war. Der Inhalt, mag er noch so aufreizend klingen, enthält jedoch viel Wahrheit, wenn auch mit bitterer Ironie zum Ausdruck gebracht.“ | zitiert nach: LHA Koblenz, Best. 441 Nr. 45358 S. 20, in: Peter Brommer: Quellen zur Geschichte von Rheinland Pfalz während der französischen Besatzung März 1945 bis August 1949. Mainz 1985, S. 107f.

[Strophe 1] Ich war PG. Ich ging mit! Auf und nieder!
Jedoch meine Wohnung, die hab‘ ich wieder.
Der Totalgeschädigte, der Anti-Faschist,
Der wohnt im Bunker, im Schutt und im Mist!

[2] Hitler hinterließ ein schreckliches Erbe,
Jedoch ich habe mein altes Gewerbe!
So wie ich’s früher habe getrieben,
So kann ich heute ruhig weiterschieben!

[3] Ich bin in Wirklichkeit völlig autark,
Denn ich beherrsche den schwarzen Markt!
Erst ging ich stiften, dann kam ich zurück,
Und niemand störte mein stilles Glück!

 [4] Die da schippen, sind doofe Proleten,
Ich bin PG und habe Moneten.
Ich bekomme Benzin und hab‘ meinen Wagen.
Ich weiß nicht, worüber die Leute nur klagen!

[5] Ich war PG, doch wer kann mir schon,
Ich bete fleißig in der Prozession.
Ich bin klug, ich bin edel und bin treu und brav,
Ich bin nur ein verirrtes Schaf!

[6] Und niemals verlier ich Würde und Haltung.
Mich schützt der Klerus, die Stadtverwaltung!
Nur das eine find‘ ich beschissen,
Ich kann die alte Fahne nicht mehr hissen.

[7] Jedoch es kommt nicht an auf die Reklame,
Innerlich halt‘ ich zur alten Fahne!
Ich lebe im alten Wohlsinn fort,
Der Bezirk ist für PG’s ein gesegneter Ort!

Halleluja, Hosianna, Amen!

 

 

Quelle 2 | Wahlplakat der FDP „Schlußstrich drunter!“ | 1949 | Urheber: Graphischer Großbetrieb Georg Stritt & Co

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