Auschwitz-Birkenau 1944 | Fotos aus zwei Perspektiven

Judenverfolgung und Holocaust | Modul 5 | Bildquellen untersuchen: Fotos | Holocaust | ◻◻◻ schwer | ca. 40 min

Unbekannter Fotograf: Selektion auf der Rampe von Auschwitz Birkenau | Foto 35 aus dem Auschwitz-Album | Vollständiges Bild und Bildnachweis (Public Domain, Wikimedia): Bild anklicken

segu-Module zum Thema Antisemitismus      Hep-Hep-Krawalle 1819       Antisemitismus im Kaiserreich      Judenverfolgung und Holocaust 1933-1945

 

Das größte Konzentrations- und Vernichtungslager errichtete die SS nahe der Stadt Auschwitz im besetzten Polen. Das Stammlager Auschwitz wurde im Mai 1940 auf dem Gelände einer ehemaligen polnischen Kaserne eingerichtet – mit dem bekannten Schriftzug über dem Lagertor: „Arbeit macht frei“. Ab 1941 wurde drei Kilometer entfernt mit dem Bau des weit größeren Arbeits- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau begonnen. Anders als in den Vernichtungslagern Treblinka, Sobibor oder Belzec, wo alle ankommenden Menschen sofort ermordet wurden, fanden auf der Rampe von Auschwitz-Birkenau sogenannte „Selektionen“ statt. Alte Menschen, Kinder und die meisten Frauen wurden kurz nach ihrer Ankunft in Gaskammern ermordet und anschließend in einem der sechs Krematorien verbrannt. Auf dem Foto oben steht diese Gruppe auf der linken Seite. Rechts daneben sind Männer zu sehen, die von den SS Wachmannschaften für „arbeitsfähig“ befunden wurde. Als Häftlinge des Arbeitslagers mussten sie schwere körperliche Arbeiten verrichten. Viele von ihnen starben innerhalb weniger Wochen oder Monate an den Folgen dieser Arbeit, an Unterernährung und Krankheiten.

Die SS hatte kein Interesse daran, dass die Massentötungen in den Vernichtungslagern dokumentiert wurden, um keine Beweise zu hinterlassen. Deshalb gibt es nur sehr wenige Fotos aus Auschwitz-Birkenau vor seiner Befreiung 1945. Bis heute sind Fotos von nur zwei Fotografen bekannt. Schau dir zunächst die beiden Fotos an und bearbeite dann die Aufgaben am Seitenende.

Foto 1 | „Selektion“ auf der Rampe Auschwitz Birkenau | Mai 1944

Unbekannter Fotograf (Angehöriger der SS-Wachmannschaften), Foto Nr. 12 aus dem Auschwitz-Album | Bildnachweis (Bundesarchiv Bild 183-N0827-318, KZ Auschwitz, Ankunft ungarischer Juden, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia): Bild anklicken

Das sogenannte Auschwitz-Album (ein Fotoalbum mit der Überschrift: „Umsiedlung der Juden aus Ungarn“) wurde von einem Angehörigen der SS-Totenkopf-Wachmannschaft (der Name des Fotografen ist unbekannt) zusammengestellt. Es dokumentiert die Ankunft und „Selektion“ eines ankommenden Güterzugs mit deportierten jüdischen Menschen aus Ungarn im Mai 1944. Die insgesamt 193 Aufnahmen enden mit Fotos von Frauen und Kindern kurz vor ihrer Ermordung in den Gaskammern. Auf den Seiten von Yad Vashem kannst du dir das ganze Album ansehen.

Zu welchem Zweck und für welchen Adressaten das Album erstellt wurde ist nicht bekannt. Die Bezeichnung „Umsiedlung“ verharmlost das Geschehen, es werden auch keine Fotos von getöteten Menschen gezeigt. Das kann auch daran liegen, dass den SS-Männern das Fotografieren im Bereich der Gaskammern und Krematorien nicht gestattet war. Es ist einem Zufall zu verdanken, dass die Fotos den Krieg überdauert haben. Eine Überlebende fand das Album nach der Befreiung des KZ Mittelbau-Dora in einer verlassenen SS-Kaserne. Die Fotos wurden nach dem Krieg veröffentlicht.

Entstehung und Perspektive des Fotos

Eine „Selektion“ auf der Rampe von Auschwitz war ein äußerst brutaler Vorgang. Die Menschen, die in Auschwitz ankamen, wussten nicht, was passieren würde, wenn sich die Türen der Viehwaggons nach der strapaziösen Fahrt öffneten. Sie wurden beim Aussteigen von den SS-Wachmannschaften angeschrien und von Schäferhunden angebellt. Die Menschen waren schockiert, weil Familien sofort auseinandergerissen wurden. In dieser Situation ist das Foto entstanden. Ein Angehöriger der SS-Wachmannschaften stand mit seiner Kamera auf der Rampe und fotografierte die Gruppe der alten Menschen, Frauen und Kinder aus einer Entfernung von wenigen Metern. Hinter den SS-Männern standen die gerade von ihren Frauen und Kindern getrennten Männer und Väter. Die Frauen und Kinder wurden (wie man auf weiteren Fotos des Auschwitz-Albums sehen kann) anschließend zu den Gaskammern gebracht. Sie wurden kurze Zeit nach Entstehung des Fotos ermordet.

Folgende Situationsskizze zeigt, wie das Foto entstanden ist und was die Frauen und Kinder sahen, als das Foto aufgenommen wurde:

 

Foto 2 | Frauen werden in die Gaskammern getrieben | Mitte 1944

Fotograf: Alberto Errera, geheim aufgenommenes Foto (genauer Zeitpunkt der Aufnahme unklar, zwischen Mai und August 1944) | Bildnachweis (Public Domain, via Wikimedia): Bild anklicken

Neben dem Auschwitz Album gibt es noch vier Fotos, die der Häftling Alberto Errera aufgenommen hat. Eines davon zeigt, wie Frauen in die Gaskammern getrieben werden, zwei andere die Verbrennung von Leichen. Errera, der einer Widerstandsgruppe im Lager angehörte und später selbst in Auschwitz getötet wurde, war Angehöriger der sogenannten Sonderkommandos, die in den Gaskammern und Krematorien arbeiten mussten – die SS zwang Häftlinge zu diesen Arbeiten. Er wollte das Geschehen dokumentieren, um auf die Massentötungen aufmerksam zu machen. Es erforderte bereits einen hohen Aufwand, eine Kamera ins Lager zu schmuggeln. Die Fotos konnten im Herbst 1944 versteckt in einer Zahnpastatube aus dem Lager gebracht werden, wurden aber erst nach Kriegsende öffentlich.

Entstehung und Perspektive des Fotos

Alberto Errera hat die vier Fotos aus dem Gebäude eines der Krematorien aufgenommen. Auf dem vollständigen Bild sieht man einen Fensterrahmen. Der Fotograf versteckte sich hinter dem Fenster – die SS-Männer durften ihn nicht entdecken. Die Fotos wurden offenbar rasch aufgenommen und sind deshalb etwas verwackelt. Das Bild oben ist nur ein kleiner Ausschnitt des zweiten Fotos der Bilderserie. Der Ausschnitt ist unscharf und die Personen sind nur schwer zu erkennen. Auf dem Foto sind sowohl Frauen zu sehen, die in die Gaskammern getrieben wurden, als auch KZ-Aufseherinnen, die die Frauen zwangen, sich auszuziehen.

 

Aufgaben

Dieses Modul bearbeitet ihr am besten in Gruppen zu zweit oder zu dritt.

Die Fotos aus Auschwitz-Birkenau anzuschauen ist schwer zu ertragen. Wir sehen Menschen, darunter viele Kinder, die kurz nach den Aufnahmen ermordet wurden. Nicht nur, weil es sich um zwei der wenigen aus Auschwitz überlieferten Fotos handelt, sind es besondere Fotos. Denn sie stammen nicht von einem „neutralen Beobachter“ – so wie heute die meisten Fotos wichtiger Ereignisse von Pressefotografen gemacht werden. Um zu verstehen, was auf den Fotos zu sehen ist, ist es wichtig, sich mit der Situation, in der sie entstanden sind, mit den beiden Fotografen und mit den von ihnen eingenommene Perspektiven genauer zu beschäftigen.

    1 | Schaut euch das Foto aus dem Auschwitz Album noch einmal genauer an (Foto 1) und lest euch den Informationstext unter dem Foto durch.

    a) Beschreibt mit eigenen Worten, was auf dem Foto zu sehen ist.

    b) Erklärt den Zusammenhang zwischen der Perspektive des Fotografen und der Situation mit eigenen Worten.

     

    2 | Schaut euch das Foto von Alberto Errera noch einmal genauer an (Foto 2) und lest euch den Informationstext unter dem Foto durch.

    a) Beschreibt, was auf dem Foto zu sehen ist.

    b) Erklärt den Zusammenhang zwischen der Perspektive des Fotografen und der Situation mit eigenen Worten.

     

    3 | Die Perspektiven beider Fotografen unterscheiden sich ganz deutlich voneinander. Versucht auch anhand eurer Ergebnisse aus Aufgabe 1 und 2 zu erklären, was die Unterschiede der beiden Fotos ausmacht.

    Stichworte zum Modul Holocaust | Auschwitz Album | Alberto Errera | Sonderkommando | Zweiter Weltkrieg | Geschichte | Geschichtsunterricht | Unterricht

    Die Antworten zu den Aufgaben kannst du entweder in deine Geschichtsmappe schreiben – ganz einfach mit Stift und PapierDu kannst die Antworten aber auch in die Textfelder unter den Aufgaben eingeben und anschließend ausdrucken oder als pdf abspeichern. Klicke dafür auf das Drucker-Symbol. Hier erhältst du weitere Informationen
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